„So go easy on me” – Vom Gnädigsein mit sich selbst
Galater 6,4; Psalm 73,2b-3a.15 (Konfirmation)

I was still a child
Ich war noch ein Kind
Und hatte keine Chance
Die Welt um mich wahrzunehmen
Ich hatte keine Zeit zu wählen
Wofür ich mich entschieden habe
So go easy on me

Die 35-jährige Britin Adele gilt als eine der erfolgreichsten Sängerinnen unserer Zeit. In ihrem Song „Easy On Me“ scheint sie die Trennung von ihrem Mann zu verarbeiten: „Als ich 30 war fiel mein Leben auseinander, ohne Vorwarnung.“ Sie erzählt, dass ihr der Beginn des Songs beim Singen unter der Dusche eingefallen ist. Ich höre den Song als eine Art Selbstgespräch: sich selbst die Fehler und falschen Entscheidungen verzeihen. Und es ist in Ordnung, Fehler zu machen und sich nicht dafür zu schämen:

So go easy on me
Sei gnädig mit mir

Das sagt sich so leicht. Vor allem, wenn ich’s zu anderen sage. Aber wenn ich’s zu mir selbst sage? Ich soll mit mir nicht zu streng sein? Allein durch Social Media entsteht ja ein unglaublicher Druck: all die makellosen und gestylten Typen; all die Bilder mit glücklichen, strahlenden Menschen. Tagtäglich bekomme ich das vor die Augen. Wer will da nicht mithalten? Perfekte Figur, herrliches Essen, super Urlaub, tolle Klamotten, perfekte Beziehung. Schnell ein paar Bilder mit dem entsprechenden Filter gepostet. Und ich bin dabei. Schaut her, was ich heute gekauft, gegessen, erlebt habe. Gepostet werden immer die Highlights. Für Scheitern oder Fehler ist da kein Platz. Ich laufe mit im Hamsterrad des perfekten glücklichen Lebens. Anstrengung ohne Ende. Zurück bleiben Frust und das Gefühl, ausgepowert zu sein. Schuldgefühle, wieder zu versagen. Und tief in mir drinnen spüre ich, dass das alles eine künstliche Welt ist, in der es keine Brüche, keine Schattenseiten gibt.

I was still a child
Ich war noch ein Kind
Und hatte keine Chance
Die Welt um mich wahrzunehmen
Ich hatte keine Zeit zu wählen
Wofür ich mich entschieden habe
So go easy on me
Sei gnädig mit mir

Ich muss mich nicht täglich abmühen, um besser und perfekter zu werden. Ich brauche auch niemand ein makelloses Gesamtbild vorzugaukeln. Und das Vergleichen mit anderen macht mich im Letzten unglücklich. Von dieser Erfahrung haben wir heute schon im Psalm gelesen. Da stellt auch einer fest, dass es anderen so viel besser geht als ihm. Und er kommt in große Not durch dieses Vergleichen:

Ich aber hätte um ein Haar den Halt verloren.
Denn ich war neidisch auf die Angeber.

Doch da bleibt einer nicht bei diesem Wetteifern mit anderen stehen. In seiner Not sucht er die Nähe Gottes. Und da verändert sich die Blickrichtung – er schaut weg von sich und den anderen. Und sein Blick richtet sich auf Gott. Dadurch bekommt er eine neue Perspektive. Er kann die Situation nun mit Gottes Augen sehen – sich und die anderen. Und da erkennt er:

Wenn ich gesagt hätte: »Ich will so reden wie sie«,
hätte ich die Gemeinschaft deiner Kinder verraten.

Er merkt, dass das Vergleichen mit anderen, dieser ganze Neid pure Dummheit ist. Es kommt eben nicht darauf an, was jemand hat oder ob alle Tage voller Glück sind. Entscheidend ist, dass ich mich gehalten weiß und im Vertrauen lebe. Denn ich bin wertvoll – unabhängig von Aussehen, Schulabschluss, Besitz, Wissen oder Können. Ich bin geliebt! Und zwar bedingungslos. Ich darf sein wie ich bin. Und du auch. Deshalb braucht sich niemand mit anderen zu vergleichen.

Achte kritisch auf das eigene Tun,
anstatt dich mit anderen zu vergleichen.

Schreibt Paulus an junge Christengemeinden in Galatien, in der heutigen Türkei. Der Drang sich mit anderen zu vergleichen, war also schon vor beinahe 2000 Jahren ein Thema. Weil Menschen grundsätzlich einen inneren Antrieb zur Bewertung der eigenen Person und des eigenen Handelns haben. Aber der Satz des Paulus entlastet mich. Wer von anderen absieht, erkennt bei sich selbst die eigene Bedürftigkeit und Brüchigkeit des Lebens. Dann kann ich dankbar sein für alles Gute im Leben, ohne das Schwierige zu verbergen. Deshalb sage ich heute, liebe Konfis:

So go easy on you
Sei gnädig mit dir

Das ist nicht leicht, wenn man sich selber gut kennt. Sabrina und ich haben euch kennenlernen dürfen als junge Menschen, die um ihre Stärken und Schwächen wissen. Ihr seid unglaublich sorgsam und einfühlsam miteinander gewesen. Und habt euch eingebracht mit Ecken und Kanten und mit viel Lebensfreude.

So go easy on you
Sei gnädig mit dir

Gnade scheint mir in diesem Zusammenhang das befreiendste und das politischste Wort in unserer evangelischen Tradition zu sein. Gnade, das bedeutet: Du lebst auf Kosten von anderen. Du hast dir das Leben nicht selbst gegeben. Es ist dir von deinen Eltern geschenkt. Und sie bleiben weiter an deiner Seite, auch wenn du immer mehr deine eigenen Wege gehst. Gnade meint: das Eigentliche des Lebens kannst du dir nicht verdienen – die Freundschaft, die Vergebung, die Liebe.

So go easy on you
Sei gnädig mit dir

Du musst dir also nicht dein eigenes Leben garantieren. Der Zwang, sich in der eigenen Hand zu bergen, führt in Verzweiflung und in den Kältetod. Nicht gezwungen sein, Garant seiner selbst zu sein, das heißt Gnade. Ich übersetzte dieses alte Wort gerne mit ‚Zuneigung‘. Dass andere mir geneigt sind, das brauche ich. Wir sind und bleiben ein Leben lang Bedürftige. Und auch Gott ist bedürftig. Gott braucht dich und mich. Bedürftigkeit ist ein Wesensmerkmal Gottes. In seinem Ansehen kannst du leben – gelassen und versöhnt mit dir selber.

So go easy on you

Amen.

 


Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.
Weitere Informationen Ok Ablehnen